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Die Aula Regia in Aachen
Karolingische Königshalle und spätmittelalterliches Rathaus.
Bauforschung und Architekturgeschichte (DFG) (abstract)
 

Aachener Rathaus
Südseite

Marktturm
(ehem. Apsis der Aula)
von Westen

Krönungssaal
Spätmittelalterliche Halle

Granusturm
Karolingische Treppenanlage

Das Rathaus der Stadt Aachen birgt in seiner Bausubstanz einen der bedeutendsten mittelalterlichen Herrschaftsbauten des deutschsprachigen Raums. Auf die Aula Regia, die Königshalle Karls des Großen, zurückgehend, wurde dieser Palastbau für die Aachener Krönungsfeierlichkeiten der deutschen Könige mehrfach tiefgreifend restauriert und entsprechend den Repräsentationsansprüchen der jeweiligen Zeit umgebaut.
Der aus dem Ende des 8. Jahrhunderts stammende karolingische Ursprungsbau bestimmte nicht nur die Tradition des Ortes sondern auch die Ausmaße des Gebäudes. So steht das Aachener Rathaus noch heute auf den Fundamenten der karolingischen Halle, deren Hauptapsis der halbrunde Marienturm markiert. Ihm gegenüber erhebt sich auf der Ostseite des Gebäudes der Granusturm, der im Mittelalter aufgrund seines direkten Bezugs zur Halle als "turris regia" oder "saltorn" bezeichnet wurde. Mit seinen bis zu einer Höhe von ca. 20 m reichenden vier karolingischen Geschossen handelt es sich nicht nur um den am höchsten erhaltenen Teil der Regia sondern auch um den einzigen noch aufrecht stehenden karolingischen Profanbau überhaupt. Über seine ursprüngliche Funktion kann bis heute jedoch nur spekuliert werden. Fragen wirft vor allem die einzigartige komplexe Gliederung der Räume und Treppenläufe im Turminneren auf.
Ihre erste maßgebliche Umgestaltung erfuhr die Halle vermutlich in der Romanik, als Aachen zum Krönungsort der deutschen Könige avancierte. Ob, wie angenommen, das aufgehende durch Blendarkaden gegliederte Mauerwerk der Hauptapsis und die Fundamente der Mittelpfeiler aus dieser Zeit stammen, muss durch weitere Untersuchungen im Projekt belegt werden. Die aufgrund der Pfeiler angenommene Zweigeschossigkeit verweist auf die entsprechende Gliederung bekannter romanischer Palasbauten.
Selbst als die Stadt im 14. Jahrhundert das inzwischen wieder baufällige Gebäude übernahm und zum Rathaus umbaute, wurde die ältere Palastfunktion durch die Integration eines eindrucksvollen Festsaals für die Krönungsfeierlichkeiten und die Errichtung einer prunkvollen figurengeschmückten Fassade weiter tradiert. Die Kombination dieser beiden Funktionen begründet die herausragende Stellung des gotischen Baus. Seine Formengebung orientierte sich gleichermaßen an deutschen und französischen Schlossbauten und hatte schließlich eine Vorbildwirkung für zahlreiche brabanter Rathäuser.

Der stets hohe machtpolitische Rang des Ortes lässt erwarten, dass die Entwicklung gerade dieses Gebäudes besonders deutlich widerspiegelt, wie der Bautyp des herrschaftlichen Saalbaus von der Antike bis zum Ausgang des Mittelalters modifiziert wurde. Trotz dieser Bedeutung sind eine systematische Untersuchung und Analyse seiner Baussubstanz wie auch eine kritische Interpretation seiner immer wieder veränderten Formensprache bis heute Desiderate der Baugeschichte. 
Ziel ist daher für das seit Januar 2011 von der DFG geförderte dreijährige Forschungsprojekt eine zusammenhängende bauhistorische Erforschung des mittelalterlichen Gebäudes und seiner Veränderungen. Basierend auf einer modernen Baudokumentation in Kooperation mit dem "Investitionsprogramm nationale UNESCO-Welterbestätten: Pfalzenforschung aus der Perspektive der Bauforschung" am Lehr- und Forschungsgebiet Denkmalpflege und der Auswertung mehrerer früher begonnener, zumeist aber unpublizierter Dokumentationen aus dem 19. und 20. Jahrhundert sollen zunächst fundierte Rekonstruktionsvorschläge für die unterschiedlichen Bauzustände erarbeitet werden. Dabei spielt die jeweilige Einbindung des Gebäudes in die Pfalzanlage eine maßgebliche Rolle.
Welche Stellung die Aachener Aula in der Entwicklung herrschaftlicher Architektur in Europa einnahm, soll schließlich durch eine Gegenüberstellung mit anderen antiken wie mittelalterlichen Saal- und Palastbauten herausgearbeitet werden. Hierbei geht es gleichermaßen um die Konzeption zeremonieller Raumprogramme, die ikonografische und ikonologische Deutung der Formensprache wie auch die Herleitung der angewandten, oft komplexen baukonstruktiven Lösungen.

Das Projekt ist in den „Arbeitskreis Pfalzenforschung Aachen“ eingebettet, in dem alle im Pfalzgebiet arbeitenden Einrichtungen zum unkomplizierten und schnellen wissenschaftlichen Informationsaustausch zusammengeschlossen sind. Die Aachener Gruppe steht darüber hinaus in regem Kontakt mit der Forschungsgruppe der Pfalz Ingelheim und anderer in die Pfalzenforschung involvierten Institutionen. Auf diese Weise wurde ein Forum geschaffen, auf dessen Grundlage die interdisziplinäre und überregionale Diskussion der Ergebnisse der Pfalzenforschung weiter ausgebaut werden kann.

 

 

Röntgen, Mathilde: Das gotische Rathaus zu Aachen, In: Das alte Aachen, seine Zerstörung und sein Wiederaufbau, Aachen 1953, S. 106-155.

Hugot, Leo: Die Pfalz Karl des Großen in Aachen, In: Karl der Große. Lebenswerk und Nachleben, Bd. III, Düsseldorf 1965, S. 534-572.

Falkenstein, Ludwig: Zwischenbilanz zur Aachener Pfalzforschung, In: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 80, 1970, S. 7-71.

Helge, Georg K; Linden, Jürgen: Vom Kaiserglanz zur Bürgerfreiheit. Das Aachener Rathaus – Ein Ort Geschichtlicher Erinnerung, Aachen 2006.
 

 

 


Ley, Judith: Das Rathaus der Freien Reichstadt Aachen. Der Umbau der karolingischen Aula Regia zum gotischen Krönungspalast, In: Rathäuser und andere kommunale Bauten, Jahrbuch für Hausforschung 60 / [Bericht über die Tagung des Arbeitskreises für Hausforschung e. V. in Lüneburg vom 27.September – 1.Oktober 2009] / - Marburg: Jonas Verlag - S.159-173.

Ley, Judith; Wietheger, Marc: Licht für den kaiserlichen Aufstieg? - Der Granusturm an der Palastaula Karl des Großen in Aachen, In: Licht-Konzepte in der vormodernen Architektur / [Bauforschungs-kolloquium in Berlin vom 26.Februar – 1.März 2009. Veranst. vom Architektur-Referat des DAI] / [Diskussionen zur Archäologischen Bauforschung; Bd. 10] / Schneider, Peter I.; Wulf-Rheidt, Ulrike Hrsg. - Regensburg: Schnell & Steiner – S.280-288.